Liebe Leserinnen, liebe Leser,
als ich noch nicht viel wusste über
Brandenburg, schob mich ein Lied eher
leise in die Richtung dieses Landes. Der Song wirkte so arglos und sein Titel nahezu beliebig, dass mir damals noch nicht klar gewesen ist, wohin
die Reise für mich ging. Ich saß in einem Büro, um Daten zu erfassen, es war ein
Nebenjob, nicht interessant, aber notwendig, und
immer war das Radio an. Wenn dieses Lied lief, und es lief sehr oft, war die Belegschaft im Büro sofort gespalten: Ist ein bisschen albern, sagten die einen, aber die meisten, auch ich,
fanden es bezwingend, der Text war comic-haft, die Melodie unwiderstehlich:
“Kling Klang” von Keimzeit trat in mein Leben.
Dass Keimzeit aus Brandenburg kommen, genauer:
aus Lütte bei Bad Belzig, das damals noch kein feines “Bad” im Namen trug, wusste ich nicht,
weiß es aber heute umso besser, denn die Band beglückt mich immer wieder, nicht nur mit ihrem Repertoire, das sehr viel mehr und deutlich anderes als diesen Hit “Kling Klang” in seinen Schränken hat. Auch den
Sänger und Gitarristen Norbert Leisegang und seinen Bruder Hartmut am Bass habe ich inzwischen kennengelernt.
Sehr nette Leute. Daran habe ich gedacht, als neulich eine Mail ins Postfach flog: Keimzeit bringen am 18. Februar ein neues Album heraus.
Ich möchte das zum Anlass nehmen, um Ihnen in diesem Newsletter eine Tour durch Lütte vorzustellen – weil Lütte als ein Ortsteil von
Bad Belzig jedoch
ziemlich klein ist, geht die Route über das Dorf deutlich hinaus. Es ist eine Form von
Pilgerfahrt, zu den Wurzeln von Keimzeit, doch bitte erwarten Sie nicht, dass Ihnen die Musiker
persönlich begegnen, denn es wohnen nicht mehr alle Band-Mitglieder dort.
Diesem blauäugigen Mythos, den Helden des Rock'n'Roll auf offener Straße zu begegnen, bin ich
immer wieder nachgelaufen, doch er hat sich nie erfüllt. Vor 30 Jahren war ich, weil ich in der Nähe einen Onkel habe, nach Seattle, Nordwestküste der USA, gereist. Es war die hohe Zeit von
Nirvana und
Pearl Jam, beide Bands sind
groß geworden in der Stadt, ich habe hinter jeder Ecke Eddie Vedder oder Kurt Cobain vermutet, die Köpfe dieser Bands, die Taktgeber in meinem Alltag, denn musikalisch waren sie für mich in jenen Jahren
konkurrenzlos.
Dieses Pilgertum setze sich fort in Weilheim, Oberbayern, wo Freunde von mir wohnten, und eben nicht nur Freunde, sondern auch die Band The Notwist, die in der Garage Lieder schreibt, die so
entrückt und ruhig sind, dass ich sie
Kurt Cobain gewünscht hätte, um runterzukommen von Drogen und Depression. The Notwist jedenfalls sind
Helden für mich, auch deshalb, weil sie einen Millionendeal mit einem Telefonanbieter abgelehnt haben, der einen ihrer Songs für seine Werbung kaufen wollte. Ich bin durch Weilheim gegangen, habe die Band gesucht, doch auch in diesem Falle
ging ich leer aus.
Fahren wir also nicht nach Seattle, nicht nach Weilheim, sondern nach Lütte im
Landkreis Potsdam-Mittelmark, einem Wallfahrtsort der Rockmusik.
In diesem Newsletter erfahren Sie außerdem, warum einige Immergrüne – der Name für besonders hartleibige Pflanzen – im Garten an sehr kalten, sonnigen Wintertagen
ihre Blätter einrollen. Und weil wir nun von “Immergrünen” reden, diesem deutschen Wort für
Evergreens, möchte ich sie animieren, an sehr kalten, aber dunklen Wintertagen das Lied “Kling Klang” zu hören. Denn von seiner Kraft, die Tage
in einen bunten Comic zu verwandeln, hat es nichts verloren.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Herzliche Grüße,
Ihr Lars Grote
MAZ-Autor