Liebe Leserinnen, liebe Leser,
übers Wetter redet man daheim,
im Homeoffice, meist wie ein Blinder von der Farbe. Gestern sagten sie im Radio, es werden 28 Grad, und trotzdem fühlte sich
dieses Schreibtischleben an wie wie vor zwei Tagen, wie vor drei Wochen, als die Temperatur viel tiefer lag. Ja, ich schreibe heute barfuß, doch eigentlich ist das zu kalt. Drinnen kommt die Temperatur nur schleppend an, drinnen ist es
noch nicht sommerlich. Dass ich trotzdem barfuß schreibe, dürfen Sie als Trotz bewerten: Ich wäre gerne
draußen am See, um die Füße ins Wasser zu halten. Ich liebe es! Je kälter das Wasser, desto belebender.
Das letzte Mal, als ich barfuß die Füße ins Wasser hielt, liegt eine Weile zurück. Es war
im Spätsommer des letzten Jahres. Ich fuhr nach
Kyritz, eine Stadt, die ich bewundere, weil sie für mich schwierig zu erreichen ist. Ich wohne eine Ecke weg, habe kein Auto, hatte mir aber eines geliehen, und trotzdem fuhr ich weiter, immer weiter, kam nie an, und irgendwann dann doch! Orte, die sich
als Fata Morgana tarnen, doch plötzlich fassbar werden, wie eine Offenbarung, sind die ersehntesten. Und manchmal auch die schönsten. Kyritz war leer, als ich dort war, doch der Stadtkern war so
aufgeräumt und unverstellt, dass ich mich glatt verliebte.
Die Bordsteine in Kyritz waren rustikal und hoch, beim Einparken habe ich die Felge zerkratzt. Heikel, weil es nicht mein eigener Wagen war. Mich selbst störten die Kratzer nicht, ich finde das normal, dass man aus einer alten Straße, die einst für Pferde und Kutschen entstand, mit einem Pkw des 21. Jahrhunderts nicht immer heil davon kommt. Der Verleiher sah das offenbar ähnlich. Er hat sich nicht beschwert.
Nach Kyritz fuhr ich,
weil es eine Insl gibt, die man wirklich Insl schreibt. Sie sparen sich das kleine “e”, die Insl ist
ein Biergarten auf einer Insel im
Untersee. Bisschen Schiff fahren, dachte ich, wie schön, und dachte auch an meine Tochter, die sich nur schwer begeistern lässt für Wörter wie
“Spazierengehen” oder
“Ausflug”. Wenn jedoch ein Schiff ins Spiel kommt, klingt die Sache anders. Leider hat der Biergarten nicht aufgehabt. Auch das Schiff lag still, außer Betrieb. Das gehört zur
bitteren Wahrheit dieses Ausflugs, genau wie die zerkratzte Felge. Was nichts daran ändert, dass Kyritz ein Platz in meinem Herzen hat, weil diese Stadt so wenig Werbung für sich macht, und doch so viel zu bieten hat, ich spreche von Altstadt, Wasser und gutem Imbiss, wohin ich auswich – weil der Biergarten geschlossen hatte.
Am kommenden Sonntag findet der
Internationale Museumstag statt, was ich nicht vollkommen glücklich finde, weil es mich zunächst mal rauszieht aus dem Homeoffice,
ins Freie, um zu testen, ob es draußen wirklich warm geworden ist. Oder ob sie das im Radio nur behaupten. Dennoch gibt es
einen guten Grund, nach einer Runde an der frischen Luft hineinzugehen ins Museum – leider nicht in Kyritz, weil dort kein Museum teilnimmt, aber in der Nähe,
in Wusterhausen/Dosse, liegt das DDR-Zweirad-Museum. Schauen Sie vorbei, Sonntag von 10 bis 16 Uhr!
Generell gilt selbstverständlich: Der Garten ist das beste Freilichtmuseum, weil man es selbst bestücken kann. Weiter unten in diesem Newsletter finden Sie Tipps zum Silberling, einer anspruchslosen Pflanze, die sich auch im Halbschatten gut macht. Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich aktuell ein bisschen anspruchsvoller als die Silberlinge, denn wenn ich rausgehe, dann bitte erstmal in die Sonne. Kein Schatten, nicht mal ein halber. Denn ich bin reif für die “Insl”.
Ein schönes Wochenende wünsche ich Ihnen!
Herzliche Grüße,
Ihr Lars Grote
MAZ-Autor