Liebe Leserinnen, liebe Leser,
dieser Tage fuhr ich bei schönstem Sonnenschein mit dem Rad - nein, nicht hinaus aufs Land, sondern geradewegs in die Innenstadt von Potsdam. Das Gefühl blieb aber ungefähr das gleiche.
Endlich wieder Sonne nach all den trüben Tagen, dachte ich, endlich wieder gute Laune! Und siehe da, auf der Einkaufsstraße im Herzen der Stadt tobte sich sogar eine kleine Band zur Freude der Passanten aus. Herrlich! Doch da drängte sich mir auch schon ein ziemlich
unangenehmer Gedanke auf. Darf ich in dieser Zeit überhaupt noch fröhlich sein? Und wie, so überlegte ich mir, soll ich Sie, liebe Leserinnen und Leser, an dieser Stelle mit gutem Gewissen dazu auffordern, unbeschwert die Schönheiten des Landes Brandenburg zu genießen,
wenn wenige Flugstunden von hier Bomben auf Wohnhäuser unschuldiger Menschen fallen? Wenn mitten in Europa wieder etwas geschieht, was wir für unmöglich gehalten haben:
Ein Angriffskrieg eines souveränen Staates auf einen anderen souveränen Staat?
Ja, ganz zur Ukraine schweigen kann ich leider selbst in unserem Newsletter nicht. Aber das unzweifelhaft furchtbare Geschehen führt mich zurück zur eigentlichen Frage. Dürfen wir trotz dieser Ereignisse eigentlich fröhlich sein und unbeschwert genießen? Ich würde antworten: Wir dürfen das nicht nur, wir haben in gewisser Weise sogar die Pflicht, fröhlich zu sein und eben nicht nur an das Schlimme zu denken. Genuss, Freude und Leichtigkeit bringen uns in eine Verfassung, die es uns überhaupt erst wieder möglich macht, mit den Härten und dem Unbill des Lebens zurechtzukommen, kluge Entscheidungen zu treffen und entschlossen zu handeln.
Ich kenne das Phänomen zum Beispiel vom Joggen. Oft muss ich mich ja zum Laufen zwingen, denn, das sei an dieser Stelle gestanden, eigentlich bin ich gar nicht der Typ für Ausdauersport. Habe ich mich aber erst einmal überwunden und nach einigen hundert Metern in meinen Rhythmus gefunden, läuft es sich ganz von alleine. Und plötzlich kommen mir tausend Ideen, Einfälle und Schlussfolgerungen - und dann erscheinen Dinge klar und einfach, über die ich mir zuvor den Kopf zermartert habe. Zugegeben: Nicht alles, was in dieser Lauf-Euphorie so aufflammt, ist auch wirklich brauchbar. Insgesamt komme ich aber wirklich aufgeräumter von diesen kleinen Touren zurück.
Dasselbe geschieht auch bei erholsamen Ausflügen. Die kleinen Erlebnisse können ganz neue Perspektiven vermitteln. Sie erinnern daran, dass es noch etwas mehr gibt, als die engen Nöte des Alltags. Und daher sollten Sie sich gerade jetzt in diesen wirklich schwierigen Zeiten die von uns vorgeschlagenen kleinen Fluchten gönnen. Sie bedeuten nämlich nicht, dass Sie manche Dinge einfach nicht wahrhaben, sondern nur dass Sie anders mit ihnen umgehen und eine bessere Lösung finden wollen.
Und wie wohltuend können kleine Weinberge oder die Ruhe des örtlichen Lebens auf uns wirken, wenn wir uns auf unserer Tour um drei Seen im nördlichen Teltow-Fläming fortbewegen. Das alltägliche Schaffen erinnert uns daran, dass das Leben weitergeht und Ehrlichkeit und Anstand vielleicht doch am längsten währen. Eine keineswegs so banale Einsicht, sondern etwas, das man gerade in Zeiten der Ellenbogen, des Karrierestrebens und der ununterbrochenen Selbstdarstellung
in den sozialen Medien immer wieder lernen muss - zum Beispiel auf Touren wie diesen, wo schließlich der schweifende Blick auf die Seen fast jeden auf
neue Gedanken bringt.
Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende!
Ihr
Rüdiger Braun
MAZ-Autor